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Ortsprofil im Kreisverkehr

„Ortsprofil im Kreisverkehr 2015“

Text zur Enthüllung

Für wenige Minuten können wir nun den Atem an. Besser gesagt, tief Luft holen, wenn ausnahmsweise, für seltene Augenblicke, stille Seelenruhe einkehrt, der brutale und gleichzeitig vitale Nah-und Fernverkehr uns ungestörtes Sehen und Hören vergönnt.

Hatte ich gedacht! Dem ist nicht so!

Also nutzen wir die Chance und nehmen optisch und akustisch emotional und intellektuell, gleichgültig, gelangweilt, interessiert, genervt, gelassen und begeistert zur Kenntnis, was war – was ist – was werden wird: Aus uns – in uns – mit uns – vor uns – hinter uns – über uns – unter uns – durch uns – gegen uns – für uns – um uns herum. Un-s-Sinn? Existenzielle Wortspielereien mit Kreiselhumor? Wir sind hoffentlich mehr oder weniger Alle soziale Wesen, reflektieren offen über unser eigenes Dasein und diskret über das Schicksal Anderer.

Drehen wir doch Alle mal unser zweidimensionales Ego-Profil hier an Ort und Stelle um die eigene Achse und wir werden dreidimensional benebelt, phantasieren, wie im Diesel oder Jenel von uns sich lautlos, wie eine gezwirbelte Bernini – Säule, ein römischer Trajan-Obelisk oder eine Mini-Drohne sich heimlich in den Himmel schraubt.

Ich befürchte, spätestens jetzt, dass Sie sich fragen, was hat das Alles prosaisch mit Kunst im öffentlichen Raum zu tun, mit der heutigen Enthüllung der Skulptur „Ortprofil im Kreisverkehr“ ?

Eine berechtigte Frage. Es ist mein absurder Versuch, uns Alle, die wir hier an einem so coolen, so sonnigen, goldigen Oktobertag mit vagen Erwartungshaltungen an ein Kunst-Event versammelt sind, in eine Gemütslage zu versetzen, die uns schicksalhaften, alltäglichen Probleme für kurze Zeit vergessen lässt, die uns himmelhoch jauchzend, positiv und dankbar stimmt für ein zeitlich und räumlich begrenztes Highlight in heimatlichen Gefilden.

Bitte jetzt bloß nicht das ferne Lied anstimmen, „Heimat deine Sterne“ – sonst werden wir noch Alle weinen – zu Tode betrübt sein, unkünstlerisch sentimental und verlegen nostalgisch, statt momentbezogen fröhlich und zukunftsorientiert aktiv zu werden.

Immer noch laufe ich, wie die Katze um den heißen Brei, als Künstler, um meine bekannte und Ihre verhüllte Kunst.

„Ortsprofil im Kreisverkehr“? Womöglich eine Siegessäule?

Das aber kann und darf nicht sein, wen sich im Hintergrund ein altes Kriegerdenkmal befindet.

Ein Riesenphallus-Objekt eventuell? Auch nicht!

Dafür ist die Stelen-artige Skulptur inhaltlich zu vielschichtig, ist das Kunstobjekt zwar dreimal gut bestückt, durch drei Eichtersheimer Friedrichs: Hecker-Ratzel-Ries. Sie alle sind, postum gewürdigt, ortsbezogene Berühmtheiten, die mittlerweile die ganze Welt, dank Angelbachtaler Mitteilungsblatt zur Genüge kennt – im Internet stehts.

„Phallussymbol“ auch nicht, weil der hochgelobten Mannswelt des 19. Und 20. Jahrhunderts – (übrigens, all damaligen bärtigen Männer sind heute, modisch gesehen, höchst zeitgemäß) großartige, selbstbewußte Damen, emanzipierte Köpfe der Frauenbewegung in Deutschland und Amerika, gegenübergestellt. Z.B. die Zeitgenossin Friedrich-Hecker´s Franziska Mathilde Annecke. Gleichberechtigung für Mann und Frau? Ohne Sie – ich weiß nicht!

Authentisch von mir so konzipiert, bedeutet „Ortprofil im Kreisverkehr“ unter anderem, formal ine mehrstufige Kulturrakete mit geschichtlichem, ortsprägendem, identitätsstiftendem Outfit, eine säulenartige, höchst differenziert definierte skulpturale Visitenkarte – für einen magisch anziehenden, wunderschönen Ort Angelbachtal, in toskanisch anmutender Kraichgauer Hügellandschaft, in einer aufstrebenden Rhein-Neckar-Region, in einem toleranten Deutschland, in einem gelobten Europa, auf dem verwirrend irdischen Globus.

Provinz ist immer dort, wo man gerade präsent ist – ob in Eischtische, in Ost London, in N.Y. Manhatten, oder in Bruchsal. Die große Welt ist immer weit weg, aber ganz daheim, wo Kultur gelebt wird.

Deshalb erfüllt „Ortsprofil“mit nächtlichem Leuchtturm-Effekt die Funktion eines Eye-catchers, die ländliche Idylle urban kultiviert zu dopen, das kopfstehende Europa-Haupt paradiesisch, als Trophäe, orakelhaft zu glorifizieren. – 4 Vogelgestalten in alle Himmelsrichtungen, als Botschafter der unpolitischen Tierwelt, friedliche Missionen erfüllen zu lassen, eine Riesenurne, getarnt als antike Amphore, als ein Aschegefäß für Reliquien der Menschlichkeit zu präsentieren – in Zeiten der globalen Vernetzung, als Gegengewicht zur individuellen Vereinsamung.

Hier steht es nun und kann nicht anders – das Ortsprofil im Kreisverkehr“.

Ein Stück Kunst im Dieseldunst!

Angelbachtal, 2.Oktober 2015